Eine Burg für einen Eremiten – Georg Kolbe Museum (Best of 75/Nr. 57)
„Meine Sensburg“, so nennt Georg Kolbe sein neues Atelierhaus in der Sensburger Allee. 1929 zieht er aus seiner großen Atelier-Wohnung in Tiergarten nach Berlin-Westend. Zwei Schicksalsschläge haben den wichtigsten deutschen Bildhauer der Weimarer Republik an den Stadtrand Berlins getrieben. Der Kunsthändler Paul Cassirer, sein langjähriger Freund und Förderer, wählt 1926 den Freitod. Ein Jahr später stirbt Kolbes Frau, Benjamine. Für Kolbe bricht eine, seine Welt zusammen. Vorbei das heitere Salonleben der Künstlerszene, vorbei der Genuss der kulturellen Vielfalt Berlins, vorbei die Zeiten, als in seinem Atelier die Tänzer-Models ein- und ausgingen: der Künstler macht einen harten Schnitt in seinem Leben. „Streng“ seinen „letzten Lebensabschnitt“ führen, wollte er.
Und daher kauft er sich ein Grundstück an der Heerstraße und beauftragt einen Schweizer Architekten, Ernst Rentsch, mit der Errichtung eines Wohn- und Arbeitshauses. Aber Kolbe lässt nicht einfach bauen. Er ist bestens vertraut mit der Architektur der Moderne, arbeitet er doch auch mit den Koryphäen wie Walter Gropius, Bruno Taut, und Hans Poelzig zusammen. Kolbe greift deshalb immer wieder in die Gestaltung ein, kommentiert die Baupläne, setzt Änderungen durch. Zwei kubische Backsteingebäude im Stil der Neuen Sachlichkeit sollen es werden und nach nicht mal einem halben Jahr Bauzeit, im Januar 1929, kann er einziehen.
Im Sommer folgt seine Tochter mit ihrem Mann in den Nachbarbau. Wenn schon nicht seine geliebte Frau Benjamine, dann wenigstens der Rest der Familie. Ganz so einsam sollte es dem Eremiten in seiner Einsiedlerklause auch nicht werden. Und von der Dachterrasse des Hauses kann Kolbe tatsächlich das Grab seiner Frau auf dem Friedhof an der Heerstraße sehen. Nur die Nachbarn sind nicht begeistert. Ein regelrechter Kleinkrieg entsteht. Die strenge und etwas abweisende Architektur der beiden unverputzten Ziegelsteinbauten passt nicht in das Welt- und Schönheitsbild einiger Nachbarn – eine Villengrundstück sei es doch! Der Anblick auf das Haus und seiner Mauer stelle sogar eine „erhebliche Wertminderung“ des eigenen Grundstückes dar.
Aber das dürfte Kolbe nicht gestört haben. Als der Bildhauer seine „Burg“ bezieht, ist er einer der bedeutendsten Künstler der Weimarer Republik, vielleicht der wichtigste deutsche Bildhauer in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Seine Werke sind im öffentlichen Stadtraum wie auch in vielen wichtigen Gebäuden der Stadt zu finden, so im Haus des Rundfunks oder in den Ceciliengärten. Aber natürlich auch hier, im Westend. Im Parkähnlichen Garten stehen Skulpturen wie….,, der fußläufig gelegene Georg-Kolbe-Hain ist ein regelrechter Skulturenpark und auch das Grabmal seiner Frau hat er gestaltet.
Die Kunstwerke entstehen im Inneren des Gebäudes. Die Privaträume sind klein und schlicht, dagegen groß, hell und geräumig die Atelierräume, vor allem die große Atelierhalle. Die war gleichzeitig der Salon mit Sesseln und Bücherregalen. 1947 stirbt Kolbe schließlich – und macht in seinem Testament den Berliner ein besonderes Geschenk: er verfügt, das sein Haus und Atelier der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Das denkmalgeschützte Ensemble ist somit das einzige zugängliche Künstleratelier der 1920er-Jahre in Berlin und ein besonderes Zeugnis dieser Epoche. In der Atelierhalle sind wechselnde Ausstellungen zu bewundern, auch zeitgenössische Kunst wird ausgestellt.
Ein weiteres „Geschenk“ ist er kürzlich bekannt geworden: der Nachlass des Künstlers kehrt aus Kanada, wohin ihn die Enkelin von Kolbe „entführt“ hat, kehrt zurück nach Berlin und bereichert damit nicht nur den Bestand des Museums, sondern bietet auch Forschern die Möglichkeit, neue Facetten dieses Künstlers zu entdecken.
Links:
Artikel von Michael Bienert zum Nachlass
Adresse: Sensburger Allee 25, 14055 Berlin (S-Bahnhof Heerstraße)