Drei Freunde sind pleite – Das Landhaus Bejach (Best of 75/Nr.55)
„Ein Freund, ein guter Freund, das ist das Beste, was es gibt auf der Welt…“ schmettern die drei jungen Helden. Mit ihrem Mercedes Benz S-Cabriolet, einem wahren Schmuckstück, brausen sie fröhlich die Landstraßen entlang. Endstation: ein Landhaus, ihr Zuhause. Wieder daheim nach drei Monaten Abenteuer in der Fremde! Aber dann das böse Erwachen: Keiner empfängt sie, die Möbel sind gepfändet, der Gerichtvollzieher steht vor der Tür. Die drei „meschuggenen Musketiere“ sind pleite. „Pleitissimo“, so ihr Rechtsanwalt. So beginnt der Klassiker „Die Drei von der Tankstelle“ aus dem Jahr 1930 mit Heinz Rühmann, Oskar Karlweis und Willy Fritsch.
Unsere Helden zieht es weiter zu ihrer Tankstelle, aber wir bleiben an diesem Drehort. Es ist das elegante Landhaus Bejach in Berlin-Steinstücken, Bernhard-Beyer-Straße 12, weit außerhalb des Stadtzentrums. Der kubische Bau ist durch eine Backsteinmauer und eine dahinterstehende Hecke von der Straße abgeschirmt. Unter einer endlos erscheinenden Pergola geht es zum Eingang des Flachdach-Gebäudes. Ein charakteristisches Stilelement findet sich an Mauer, Pergola und Haus: ein Querstreifenmuster mit einem Wechsel aus Ziegel und Putzschichten. Linear, fließend, dynamisch: es ist keine Prachtvilla im Stil des Historismus, aber ein elegantes und expressives Landhaus im Stil der Neuen Sachlichkeit.
Der Architekt ist in den Zwanziger Jahren gefragt wie kaum ein anderer. Es ist Erich Mendelsohn. Berühmt wird er als Architekt des ikonographischen Einsteinturms, der dynamischen Fassade des Mosse-Hauses und des beeindruckenden WOGA-Ensembles mit der heutigen Schaubühne. Aber er baut auch zahlreiche private Wohnhäuser und Villen. Das Landhaus Bejach ist eines der bescheideneren der privaten Häuser. Auftraggeber und Hausherr ist der jüdische Arzt Dr. Curt Bejach.
Bejachs Arbeitsplatz war aber nicht hier im wohlhabenden Süden der Stadt, sondern mitten im Arbeiterbezirk Kreuzberg. Ein Bezirk, in dem teilweise katastrophale Wohnbedingungen herrschen, die Tuberkulose und andere Krankheiten fördern. Aber Stadtarzt Bejach versucht, zu helfen. Er gründet das „Gesundheitshaus am Urban“, um die Gesundheitseinrichtungen des Bezirks zu bündeln und die sozialhygienischen Maßnahmen zentral zu steuern. In der Weimarer Republik ist Bejach einer der prägenden Sozialmediziner.
Hier in Steinstücken findet Bejach einen optimalen Rückzugsort. 1928 zieht er mit seiner Frau und den drei Töchtern in das Landhaus ein. Eine Spielwiese vor und ein stiller Garten hinter dem Haus, so erläutet Mendelsohn seine Anlage. Aber nur einige Jahre kann Bejach Luft und Licht des großzügigen Ensembles genießen. 1933 verliert er seine Arbeit, drei Jahre später das Landhaus und im Oktober 1944 sein Leben in Ausschwitz.
Das Landhaus fällt nach dem Krieg in einen Dornröschenschlaf. In der West-Berliner Enklave Steinstücken gelegen, ist es nur schwer zu erreichen. Aber trotzdem hat es sich erfreulicherweise gut erhalten. Die Pläne, Haus und Garten in eine Mendelsohn-Stiftung zu überführen und mit Vorträgen und Abendveranstaltungen auf Dauer Mendelsohns und Curt Bejachs Erbe wachzuhalten, konnten leider nicht realisiert werden. Ein Stolperstein vor dem Eingang erinnert immerhin an Curt Bejach.
An die drei Helden von der Tankstelle erinnert der Film aus dem Jahr 1930 und die fantastische Musik von Werner Richard Heymann. Im Landhaus stimmen sie noch das Lied an: Lieber, guter Herr Gerichtsvollzieher, geh’n se weg, sie finden nichts bei mir. Bald wird uns die Stunde schlagen, wo wir nicht mehr Smoking tragen, ach, wie wird’s uns da zumut. Polo spielen, Austern essen, alles müssen wir vergessen, ach, wie weh doch so was tut.“