Blau-Rot-Weiß(ensee) – Wohnanlage in Weißensee (Best of 75/Nr. 51)
Text: MARCEL PIETHE
Bruno Taut und Berlin? Das sagt dem Architektur-Interessierten etwas. Hufeisensiedlung Berlin-Britz, ja klar. Neues Bauen: ökonomisch, sachlich, ohne Schörkel, gerade Flächen. Ein bisschen Bauhaus, ein bisschen De Stijl.
Und anderswo in Berlin? Doch, es gibt auch andere Zeugen des Neuen Bauens und Bruno Tauts in Berlin. Sie sind nur nicht so bekannt. Beispielsweise in Weißensee, Trierer Straße, Nähe Buschkrugallee.
Beauftragt durch die die Gemeinnützige Heimstätten-, Spar- und Bau-Aktiengesellschaft, entwirft Bruno Taut in der Mitte der 1920er Jahre einige mit wenig Aufwand zu errichtende Wohngebäude. Baulich sind die Wohnblocks schlicht, Taut lässt nur wenig Schmuck zu: horizontale Bänder aus Ziegeln, gesprosste Fenster. Vorspringende Treppenhäuser, Loggien und Balkone untergliedern die glatten Flächen. Und doch fallen die Wohnblöcke sofort ins Auge: Sie sind bunt. Sehr bunt. Straßenseitig wird jede Etage durch eine Farbe markiert: blau, rostrot und cremeweiß. Zum Hof hin umrahmen weiße und blaue Bänder die Balkone. Papageiensiedlung, das wäre der richtige Name – trüge ihn nicht schon ein anderes Wohnquartier von Bruno Taut in Berlin-Zehlendorf.
Pate für das Farbkonzept soll übrigens kein anderer gewesen sein als der expressionistische Maler Karl Schmidt-Rottluff. Schaut man sich seine Bilder aus dieser Zeit, glaubt man das sofort.
Aus Sicht der Nationalsozialisten hatte es der Architekt jedoch zu bunt getrieben. Und so wurden die Farben schon 1938 mit langweiligem grauen Putz überdeckt. Erst seit Mitte der 1990er Jahre erstrahlt die Gebäudezeile dank der Deutschen Stiftung Denkmalschutz wieder in ihrem alten Design und bringt Farbe satt in die Berliner Wohnlandschaft.
Es ist nur eine Häuserzeile, aber der Ausflug nach Weißensee lohnt auf jeden Fall: Bruno Taut gibt es nämlich gleich nochmal ein paar Meter weiter. Fast tausend Meter ziehen sich seine Wohnzeilen die Buschallee entlang. Zwei weitere Objekte locken, die es sogar in unsere Liste geschafft haben: das Holländerviertel am Kreuzpfuhl und das Landhaus Lemke von Mies van der Rohe. Und wem es im Sommer zu heiß ist: ab in den Weißensee!