Filmshow im ehemaligen Delphi-Kino
Tonfilm ist Kitsch! Tonfilm ist Einseitigkeit! Lehnt den Tonfilm ab! Fordert gute stumme Filme! Diese Forderung erklingt am …im ehemaligen Stummfilmkino Delphi in Weißensee, vorgetragen von den beiden Moderatoren des Abends: Else Edelstahl, der „Grande Dame“ der Boheme Sauvage, und Arne Krasting, Gründer von Zeitreisen. Applaus kommt von der Bühne, denn dort sitzen etwas mehr als ein Dutzend Musiker. Es ist das Metropolis Stummfilmorchester Berlin, das erste seiner Art in Berlin. Und um Stummfilme geht es diesen Abend bei der Filmshow „Berlin – Filmstadt der 20er Jahre“. Der Zuschauersaal ist leer – aber auf den heimischen Leinwänden können die Zuschauer einen fulminanten und abwechslungsreichen Abend erleben, ein buntes Pot Pourri aus Film, Musik und sogar Tanz.
Das Theater im Delphi, von dem engagierten Nikolaus Schneider aus dem Dornröschenschlaf erweckt, ist natürlich eine grandiose Kulisse für diesen Abend. Eröffnet wurde es im November 1929 als Stummfilmkino. Aber damals startete der Tonfilm gerade durch, um dann recht schnell auf die Überholspur zu biegen und den Stummfilm schon im nächsten Jahr hinter sich zu lassen. Aber ein Stummfilmkino passt natürlich zu Weißensee, denn hier wurde seit 1919 Filmgeschichte geschrieben. Klein-Hollywood nennt man auch die Gegend rund um den heutigen Caligari-Platz. Mehrere Ateliers produzieren hier Stummfilme am laufenden Band. Auch der Klassiker „Das Cabinet des Dr. Caligari“ ist einen Steinwurf entfernt entstanden. Und noch viel früher, Ende des 19. Jahrhunderts, waren die Brüder Skladanowsky in der Gegend aktiv. Sie sind die großen Pioniere des Films in Deutschland, die erstmals Bilder zum Laufen brachten und dann im Wintergarten in der Friedrichstraße präsentierten. Als der Tonfilm dann seinen Siegeszug antritt, ist Weißensee längst abgehängt worden von den großen Studios in Babelsberg. Dort entsteht als einer der ersten Tonfilme im November 1929 „Der blaue Engel“ mit Marlene Dietrich.
All dies ist Thema des Abends: Das Orchester spielt zu Ausschnitten der oben genannten Filme. Die Hintergründe mitsamt Anekdoten werden von Else Edelstahl und Arne Krasting kommentiert. Und auch der Blick über den Tellerrand wird gewagt: was wäre der Stummfilm ohne seine großen Stars, ohne Buster Keaton, den freundlichen Melancholiker? Und Charlie Chaplin, den ewigen Tramp? Beide waren auch in Berlin und wurden dort begeistert gefeiert. So sehr, dass Charlie Chaplin sogar fast seine Hose einbüßt. Das passiert unseren Damen natürlich nicht, denn die haben Charleston-Kleider an, bei ihrer kleinen Tanz-Performance. Daniela Vega kann allerdings nicht nur tanzen: sie ist Opernsängerin und interpretiert den Klassiker "Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingespielt" in einer beeindruckenden Art und Weise.
Nach dem Abend ist klar: das Programm muss wiederholt werden, aber dann bitte mit Publikum! Bis das möglich ist, kann der ganze Abend hier noch einmal angeschaut werden.
Mit dabei neben dem Metropolis Orchester und dem Theater im Delphi: Die Bohème Sauvage mit Else Edelstahl, Arne Krasting von Zeitreisen, die Sängerin & Tänzerin Daniela Vega, die Tänzerin Jacky Lu, die Komponisten Richard Siedhoff, Robert Israel, Helmut Imig, und Lobster Films, die F.W.Murnau-Stiftung, Stefan Drößler und Filmmuseum München, Ries & Erler Musikverlag, Christel Strobel, Daniel Wandke photography, Nikolaus Schneider und Tilman Agueras…..