Klein-Amsterdam am Kreuzpfuhl – Das Holländer-Quartier (Best of 75/Nr. 60)
Sind wir versehentlich im Holländischen Viertel in Potsdam gelandet!? Vor uns Häuser mit roten Klinkern, weiße Fensterrahmungen mit Dekor in barockisierenden Formen, Treppengiebel mit Abschlüssen, die an Zinnen erinnern. Aber knapp vorbei: wir befinden uns in Weißensee. Optisch sind wir allerdings dicht dran an der Top-Sehenswürdigkeit von Potsdam und damit gleichzeitig auch an den niederländischen Bautraditionen des 17. und 18. Jahrhunderts. Und der Name Holländerhof bzw. Holländer-Quartier für das Gebäudeensemble in Weißensee passt dann ja auch.
Der zeitliche Sprung führt uns vom Barock des holländischen Originals und der Potsdamer Kopie ins Jahr 1929, als in Weißensee nach fünfjähriger Bauzeit die Wohnungen bezogen werden können. Der Bezirk ist in der Weimarer Republik und nach der Gründung von Groß-Berlin immer mehr an das Zentrum herangewachsen. Und hat als „Klein Hollywood“ Ruhm erlangt, hier liegt die Wiege des Stummfilms. In den Filmateliers von Weißensee sind Klassiker wie unter anderem „Das Cabinett des Dr. Caligari“ entstehen. Neben Filmruhm wächst auch die Einwohnerzahl rasant und damit auch die Notwendigkeit von neuen Wohnbauten.
Hinter dem schon in der Kaiserzeit entstandenen Gemeindeforum Weißensee mit der Schule am Kreuzpfuhl ist noch Platz. Die Pankower Heimstätten GmbH beauftragt den Architekten Josef Tiedemann mit der Anlage einer Wohnanlage mit viel Grün. Tiedemanns, der als „Träger einer traditionsverbundenen Architekturauffassung“ auch nach 1933 weiterarbeiten darf, baut ganz anders als sein Kollege in der direkten Nachbarschaft. Bruno Taut, herausragender Vertreter des Neuen Bauens, ist verantwortlich unter anderem für das bunte Papageienhaus in der Trierer Straße und die als „Zuchthäuser“ bezeichneten Häuserblocks in der Buschallee.
Der Holländerhof zwischen Woelckpromenade und Schönstraße steht dagegen repräsentativ für eine traditionelle und konservative Architektursprache. Das Ensemble passt sich an die Häuser in der Nachbarschaft an. Die Verwendung reduzierter barockisierender Bauformen passt eher zur Reformarchitektur. Äußerlich zumindest sieht es eher nach holländischer Vergangenheit aus. Ansonsten bieten die Wohnungen aber genau das, was auch das Neue Bauen fordert: jede Wohnung ist mit eigener Küche, eigenem Bad und einer Loggia ausgestattet. Ausreichend Licht und Belüftung ist garantiert, zudem stehen sich die Gebäudezeilen in weitem Abstand gegenüber. Dadurch können die Bewohner einen Hof nutzen, der mit seinen fast 9.000 Quadratmeter eher ein großflächiger Park ist. Zur Erinnerung: die Mietskasernen der Kaiserzeit hatten teilweise eine Größe von 30 Quadratmetern. Genug Platz zum Wenden einer Feuerwehrspritze.
Die Anlage steht, wie auch die Siedlungen des Neuen Bauens, unter Denkmalschutz und ist vor einigen Jahren saniert worden. Und jetzt passiert es immer wieder, dass an der Woelkpromenade, wie schon in der Zeit von „Klein Hollywood“, großes Kino entsteht,. Oder vielmehr große Serien. Gereon Rath hat hier mit seiner Geliebten und Schwägerin Helga in der Staffel 3 von Babylon Berlin Quartier bezogen. Und die Serie Deutschland 89 um einen DDR-Agenten nimmt sich tatsächlich die Freiheit, die Woelkpromenade als Frankfurt darzustellen. Und sicherlich bald darf das Holländer-Quartier dann auch mal Amsterdam spielen!
Lage: Woelckpromenade/Schönstraße, 13086 Berlin (M4 Richtung Falkenberg, Albertinenstraße)