Taj Mahal in Wilmersdorf: Die Amadiyya-Moschee (Best of 75/Nr. 66)
Ein homosexueller Schriftsteller jüdischen Glaubens, der dann zum Islam konvertiert, ohne die jüdische Gemeinde zu verlassen und die Geschäfte der ersten Moschee in Deutschland leitet? Kaum vorstellbar. Aber Hugo „Hamid“ Markus war all dies und so einer der schillerndsten Persönlichkeiten der an besonderen Typen nicht gerade armen Weimarer Republik.
Film auf Youtube
Bilder auf Instagram
Die Moschee, die Marcus als Syndicus leitete, ist die älteste erhaltene Moschee Deutschlands. Älter, aber nicht erhalten war nur eine Holzmoschee für muslimische Kriegsgefangene im Wünstorfer „Halbmondlager“. Nun sollte es aber eine Moschee für Berlin geben! Finanziert, so wird überliefert, auch durch den Verkauf der besten Schmuckstücke vieler weiblichen Gemeindemitglieder. Und schmuckvoll sollte die Moschee auch werden – soweit das die finanziellen Möglichkeiten zuließen.
Und tatsächlich: ein kleines, Berliner „Taj Mahal“ ist es geworden – im Stil der Mogul-Architektur, importiert von der islamischen Mogul-Dynastie in Indien. Zwei Minarette und eine Kuppel, orientalisch anmutende Verzierungen, filigrane Säulen, alles blendend weiß, das ist die Ahmadiyya-Moschee. Aber sie ist auch: deutsches Ziegelmauerwerk, Holzbalkendecken und eine hölzerne Dachkonstruktion. Also eine schöne Mischung aus Okzident und Orient.
1928 öffnet die Moschee ihre Pforten – und ist von Anfang eine Spielwiese verschiedener Religionen und Kulturkreise. Das liegt vor allem an dem Schriftseller Hugo „Hamid“ Markus, dessen Vorträge Einfluss weit über die Gemeinde hinaus hatten. Es ging um einen modernen Islam, einen Islam, der auch den Entwurf einer homosexuellen islamischen Theorie und die Beiträge jüdischer Intellektueller aushalten musste. Migranten aus Ägypten, Persien, Afghanistan gingen hier ein uns aus wie Prominente wie Albert Einstein, Martin Buber, Martin Niemöller, Thomas Mann und Hermann Hesse. Ein spannender Bericht über die jüdisch-muslimische Symbiose im Berlin der 20er Jahre findet sich hier.
Während des Nationalsozialismus musste Hugo Markus emigrieren. Und ganz am Ende des Krieges wurden auch noch die Minarette als MG-Stellungen missbraucht und zerstört. Erst in den 90er Jahren wurden die Minarette wieder aufgebaut. Und gerade ist auch die Sanierung des gesamten Gebäudes in ihren Endzügen. Das Taj Mahal von Berlin wird weiter strahlen!
Nachtrag: die Ecke scheint eine besondere Anziehungskraft für Gotteshäuser verschiedener Religionsrichtungen zu haben. In Blicknähe befinden sich die Kuppeln der russisch-orthodoxen Christi-Auferstehungskathedrale, gegenüber die dänische Christianskirche.
Baujahr/Architekt: 1928/K. A. Hermann
Adresse: Brienner Str. 7/8, 10713 Berlin
Link: http://berlin.ahmadiyya.org