Ein Zebra in Neukölln – Wohnanlagen Werrablock (Best of 75/Nr. 68)
Das Dickhäuterhaus steht im Tierpark, das Elefantenhaus steht im Zoo, und das Zebrahaus? In Neukölln, in der Weserstraße – allerdings ohne Zebras. Namensgebend ist die auffällige Fassadengestaltung mit horizontal verlaufenden Bändern aus rotem Backstein und ockerfarbigem Putz. Das Zebra hat seine schwarz-weißen Streifen anscheinend dem wilden Metropolenleben angepasst hat. Markant ist die Häuserecke mit vorgesetztem überdachten Erker, aus dem ein dreieckiger Pfeiler hervorragt. Wie ein mittelalterlicher Bergfried wirkt dieses Detail.
Der Werrablock mit seinen 300 Wohnungen gilt als einer der bedeutendsten genossenschaftlichen Reformsiedlungen der 20er Jahre. 1924 beginnt der Bau des Wohnblocks. Es sind spannende Jahre für Neukölln. Zunächst bekommt die Gegend südlich von Kreuzberg im Jahr 1912 einen neuen Namen verpasst. Aus Rixdorf wird Neukölln. Zu schlecht ist der Ruf als proletarisches Vergnügungsviertel, zu sehr verschreckt er dringend benötigte Investoren. Mit der Umbenennung erfolgt eine weitere Aufwertung: Neukölln bekommt das Stadtrecht. Und zwei Jahre später ist auch das beeindruckende Rathaus fertig. Aber dann verliert die Stadt ihre Eigenständigkeit: Die Gründung von Groß-Berlin am 1. Oktober 1920 degradiert die Stadt zum Bezirk. Während allerdings Charlottenburg, einer der reichsten Städte Preußens, sich gegen die Einverleibung in das große Berlin sträubt, stand man in Neukölln dem Verwaltungsakt offener gegenüber, sieht man doch eher die Vorteile einer gemeinsamen Verwaltung und Infrastruktur.
Der Architekt des Werrablocks, Paul Mebes, ist auch in ganz Groß-Berlin aktiv. Gerade hat er die Gartenstadt Zehlendorf realisiert, zeitgleicht baut er in Pankow und Lichterfelde. Allerdings befinden wir uns in seiner expressiven Phase, die von der nüchterneren Phase, gesehen am Innsbrucker Platz, abgelöst wird (LINK).
Die Wohnanlage in Neukölln ist für das Arbeiterviertel fast luxuriös. Überwiegend Beamte, Polizisten, Staatsbedienstete und Polizisten ziehen hier zunächst ein. Und noch etwas Tierisches finden wir am Zebrahaus: die Wohnungen sind als „Zweispänner“ konzipiert – das heißt, es gibt nur zwei Wohnungen pro Etage. Nicht nur dadurch sind die Lichtverhältnisse günstig. Es fehlt auch jegliche Hinterhofbebauung, so daß es großzügige Innenhöfe zur Erholung gibt. „Licht, Luft und Sonne für Alle“ – dieser Kerngedanke von Wohnreformbewegung und Bauhaus wird hier vorbildlich umgesetzt.
Eröffnung: 1926
Ort: Innstraße/Werrastraße/Weserstraße ( Bus M41, Station Geygerstraße)