St. Martin spielt Babylon – eine Kirche erlangt Filmruhm (Best of 75/Nr. 73)
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Kaulsdorf! Wir sind janz weit draußen, nur zwei Kilometer von der Grenze zu Brandenburg entfernt. Umso überraschender taucht in der recht unspektakulären Giesestraße ein Juwel des Backsteinexpressionismus auf. Verantwortlich dafür sind die beiden Architekten Heinrich Horvatin und Josef Bachem, die mehrere katholische Kirchen in Berlin gebaut haben, eine davon wird auch noch unter den Top 10 auftauchen...
Ein markanter, blockartiger Turm, mit einem vertikalen Fensterschlitz und zwei zylindrischen Rundbauten davor, dann runde Fenster, wie Bullaugen: romanische Basilika und maritime Architektur kommen hier zusammen. Ein bisschen Chilehaus in Berlin. Übrigens: die Ziegelsteine für den Bau kommen von den Abrissgebäuden eines Platzes, der sich Ende der 20er Jahre anschickte, „Weltstadtplatz“ zu werden: der Alexanderplatz. Vielleicht sind Teile des alten Aschinger hier verbaut?
Am 3. August 1930 wird die Kirche geweiht - und damals sieht sich die katholische Gemeinde wohl in der Defensive. Wie ein Notruf die Worte in der Festschrift zur Einweihung: Wir stehen heute nicht mehr in mittelalterlicher Zeit himmelhochjauchzender Gotik, jener Zeit, in der die Religion ein und alles war. Wir sind heute in die Verteidigung gedrängt. St. Martin in Kaulsdorf erhebt sich wie ein gewaltiger Ritter…So reckt sich St. Martin an einer der Hauptverkehrsstraßen des Ortes empor und sagt der Umwelt: ‚Ich stehe hier gepanzert und gewappnet als Vertreter einer fast zweitausendjährigen, christlichen Kultur‘.
Der Zweite Weltkrieg hat starke Schäden hinterlassen. Im Inneren ist nur wenig, zum Beispiel die Sandsteinreliefs an den Seitenschiffen, erhalten geblieben. Auch der Altar ist neu. Und der musste daher tatsächlich für mehrere Tage weichen – als hier nämlich eine Szene für die Serie „Babylon Berlin“ gedreht wurde. Mehr ein Zufallsfund, ein „Beifang“. Auf der Rennbahn im Hoppegarten, gleich um die Ecke, ist ein Drehtag mit Lars Eidinger, in der Serie Spross der Industriellenfamilie Nyssen, vorgesehen. Und für eine weitere Szene mit Lars Eidinger und Hanna Herzsprung sucht man eine Kirche in der Umgebung. Ein Locactionscout wird fündig. Und so kommt die Kirche zu Filmruhm und zu einem schönen Altar. „Viel schöner als das Original, wäre er doch geblieben“, seufzt der ehrenamtliche Betreuer, der die Kirche jeden Samstag um 15:00 für die Allgemeinheit öffnet. Im Film sieht alles irgendwie schöner aus…oder liegt das nur an Lars Eidinger?
Eröffnung: 1930
Ort: Nentwigstraße 1, 12621 Berlin (S-Bahn S5 bis Station Mahlsdorf)
Link: https://www.st-martin-kaulsdorf.de